Die Liebe ist ein seltsames Spiel, fürwahr, davon wusste schon die Schlagerkuh Connie Francis ein nerviges Lied zu singen. Da haben wir zum Beispiel in Taikan Sugas Manga-Realverfilmung SAIKANO, dem angeblich letzten Liebeslied auf diesem kleinen Planeten, ein Liebespaar, welches zum einen aus Shuji besteht, einem Schüler, welcher aussieht wie ein auf Teenie-Popstar gebürsteter hässlicher Mittdreißiger inklusive gigantischer Gelfrisur, die ihn mal eben 15 cm größer macht, zum anderen Chise, seine immerhin nicht gänzlich unhübsche Mitschülerin und Irgendwie-Freundin, welche aber offensichtlich an galoppierender Gesichtsverhärtung leidet und damit ebenso wie ihr spackiger Freund zur mimischen Umsetzung ihrer Gefühle nur in Ansätzen in der Lage ist.
Chise hat außerdem noch einen Nebenjob als ultimative Waffe des japanischen Militärs, welcher sie zwingt, das eine oder andere sogenannte Techtelmechtel mit ihrem Gesichtsfasching von Freund vorzeitig abzubrechen und als robotischer Todesengel Volk und Vaterland vor den verheerenden Angriffen einer ominösen und nicht weiter spezifizierten Allianz zu retten. Denn es herrscht Krieg im Land der aufgehenden Sonne, ein Krieg, von dem die Einwohner Sapporos allerdings nur gelegentlich etwas mitbekommen.
Gleich zu Beginn des Filmes wird der Zuschauer Zeuge eines alliierten Bomberangriffes auf die Heimatstadt unseres jungen Pärchens, welche auch kräftig in Mitleidenschaft gezogen wird, allerdings kann Chises Eingreifen das Schlimmste verhindern. Schon bald herrscht wieder eitel Sonnenschein im japanischen Norden und die Protagonisten können sich endlich wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung hingeben, endlosen auf der Stelle tretenden Gesprächen über Sinn und Unsinn des Lebens, der Liebe, ihrer Liebe im ganz speziellen, gelegentlich auch über den Krieg, welcher, so finden beide Liebenden, gar schröcklich ist. Denn des Krieges wegen muss Chise ihren unansehnlichen Lover regelmäßig verlassen, was nicht unbedingt zum Gedeihen ihres jungen Glücks beiträgt, zumal das in Chise integrierte Waffenarsenal immer weiter durch das Militär aufgestockt wird und sie sich dadurch ihrem Menschsein entfremdet.
Wie echte Menschen handeln aber unsere liebenden Helden schon vorher nicht unbedingt, statt die Liebe zu leben, labern sie lieber darüber, statt sich offen auszusprechen, vielleicht auch darüber, warum ausgerechnet Chise vom Militär als Superwaffe auserkoren wurde, bevorzugt man, sich misszuverstehen, und Shuji sieht zudem auch noch aus wie ein gesichtsgelähmter Marsianer.
Was Chise und Shuji aneinander finden bleibt ein großes Geheimnis, Chemie existiert zwischen ihnen jedenfalls keine, gemeinsame Interessen gibt es auch nicht, was immerhin auch kurz im Film thematisiert wird, dem Sex sind die beiden von einem einmaligen, ganz extrazarten Ausrutscher abgesehen, auch eher abhold, ein Wunder dass die zwei bei ihren ermüdenden und ereignislosen Schäferstündchen nicht vor Langeweile sterben.
Dem Zuschauer dagegen könnte dies durchaus passieren, denn die nur selten von kurzen Spektakelintermezzos unterbrochenen Dialog-Marathons legen sich in ihrer inhaltlichen und visuellen Kargheit schwer aufs Gemüt des Rezipienten, ganz sicher kein Film für depressive Gemüter. Strick, Rasierklinge oder Schierlingsbecher sollte man also tunlichst vor dem Filmgenuss sicher verstauen, könnten sie doch sonst als verlockende Alternative zu weiteren quälenden Filmminuten erscheinen.
Die ganz harten Zeitgenossen werden dann in den letzten zehn Minuten weichgeklopft, erst enttäuscht sie der Film mit einem sehr kurzen Effektshowdown, daraufhin dürfen Shuji und Chise jeweils noch einmal fünf Minuten in dümmlichsten und abgedroschendsten Phrasen über die Liebe monologisieren, danach ist dann endlich Schluss, 120 Minuten wirklich schlecht inszenierten Sci-Fi-Romantik-Trauerspiels finden ihr mehr als verdientes Ende.
Was bleibt ist ein trüber Nachgeschmack von verschenkten Möglichkeiten, schließlich ist die Mangavorlage, bei uns als SHE-The Ultimate Weapon erschienen, durchaus reizvoll, die Effektszenen sind zwar rar, von der Hongkonger Effektschmiede MENFOND (ULTRAVIOLET, TWINS EFFECT) aber durchaus kompetent realisiert, auch der orchestrale Soundtrack wird zwar etwas sehr schmierig und manipulativ eingesetzt, ist aber sehr ordentlich komponiert und eingespielt.
Diesen wenigen Meriten zum Trotz stellt SAIKANO so ziemlich den Bodensatz japanischen Effektkinoschaffens dar, welcher selbst von mäßig begeisternden Werken wie DEVILMAN oder CUTEY HONEY locker übertroffen wird. Wer sehen möchte, wie aus ähnlichen Zutaten ein deutlich beeindruckenderes und besseres Werk geschaffen werden kann, dem sei Kazuaki Kiriyas aufregender CASSHERN wärmstens empfohlen.
SAIKANO – The Last Lovesong On This Little Planet dagegen sollte tunlichst gnädigem Vergessen anheim fallen, beweist er doch, dass die Liebe nicht nur ein seltsames Spiel ist, sondern zuweilen auch ein echt lausiges Lied abgibt.
Archiv für den Monat: September 2012
Anime-Rezi: 5 Centimeters Per Second (Japan; 2009)
Makoto Shinkai ist ein Bildmagier, kurz und bündig. Schon in seinen ersten Arbeiten wie dem Schwarz-Weiß-Kurzfilm SHE AND HER CAT bewies der Anime-Auteur viel Gespür für Atmosphäre, neben dem Detailreichtum der Zeichnungen ist es besonders der offensive Lichteinsatz, welcher die Stimmung von Shinkais Wunderwelten prägt.
Auch sein neuestes Werk, die Anime-Anthologie 5 CENTIMETERS PER SECOND, ist einmal mehr ein augenöffnendes Erlebnis, in welchem eine gewöhnliche japanische Großstadtstraße ähnlich viel Magie versprühen darf wie eine nächtliche Landschaft unterm Mondenschein. Da wird der feucht-leuchtende Asphalt zum Lichterdschungel, eine zarte Lichtreflektion zum ätherischen Ballett, die den Sonnenschein lasierenden und strukturierenden Wolken zum Lichtweber.
Wer dem Genre Anime vornehmlich der Ästhetik wegen zugetan ist, der tut gut daran, sich im visuellen Rausch von Shinkais Werken zu verlieren, aus denen die etwas härter wirkenden Charakter zwar immer etwas herausfallen, die aber doch attraktiv genug daherkommen, um das Erlebnis nicht wirklich zu schmälern.
Der visuelle Rausch mag auch den einen oder anderen Rezensenten geblendet haben, denn die allgemeine Rezeption darf als übermäßig enthusiastisch bezeichnet werden. Dabei herrscht bei 5 CENTIMETERS keineswegs eitel Sonnenschein,bedrohen doch dunkle Wolken inhaltlicher Dürftigkeit den großartigen Ausblick.
Makoto Shinkai ist nämlich nicht nur ein Bildmagier, sondern leider auch ein Schwätzer vor dem Herren, der seine banalen Geschichten mit einem Übermaß an gerne in geschwollenem Ton vorgetragenen Off-Monologen andickt.
Beherrschendes Thema in 5 CENTIMETERS sind Beziehungen und was Distanz, gleichermaßen räumlicher, zeitlicher und sozialer Natur, aus ihnen macht. Das klingt mäßig interessant und eher wie ein Thema für eine akademische Studie, birgt aber in geschickten Händen durchaus ein gewisses Potential in sich.
Shinkai hat allerdings eher die erzählerischen Pfoten eines Grobschmiedes, weswegen er zur Verdeutlichung seines Anliegens Charaktere präsentiert, die völlig uninteressant sind, weil sie einfach nicht ordentlich etabliert und vorgestellt werden. Noch ehe wir etwas Genaueres über die Protagonisten erfahren, dürfen wir ihnen bereits beim Runterleiern „gedankenschwerer“ Plattheiten und schwulstiger Bekenntnisse beiwohnen. Jeder Gedankenpups wird von unseren jugendlichen Helden in dramatisch-möglichster Form zum Besten gegeben, jede Zuneigungsbekundung mit Hölderlinschem Pathos verkündet.
Mir zumindest fällt es sehr schwer, mich auf diese Art von unsensibel erzählter Pubertärschmonzette einzulassen, wer sich allerdings den Texten und Gedanken von Reimdreschern wie UNHEILIG verbunden fühlt und Xavier Naidoo für einen wahren Poeten hält, der könnte Gefallen finden an der unbeholfenen Art, mit der Shinkai Leben und Liebe reflektiert.
Der Rest darf sich darüber ärgern, dass eine wunderschöne und durchaus auch originäre Bildsprache durch den profanen und prätentiös erzählten inhaltlichen Ballast kräftig runtergezogen wird. Es bleibt die Hoffnung, dass Shinkai sich bei seinen nächsten Projekten mit fähigeren Autoren zusammentut, es wäre einfach schade, sein Talent als visueller Virtuose auch weiterhin durch seine mangelhaften Fähigkeiten als Geschichtenerzähler beeinträchtigt zu sehen.
Kurzrezi: Snow White And The Huntsman (USA; 2012)
Entsetzlich langweiliges, mäßig gespieltes und visuell konventionelles Fantasy-Märchen, dessen Regisseur sich auf Dramaturgie offenbar genauso wenig versteht wie auf Schauspielführung und Actioninszenierung. Ohne die omnipräsenten Zeitlupeneinstellungen wäre der Film wahrscheinlich eine gute halbe Stunde kürzer, und jede bei diesem Schnarchfest eingesparte Minute wäre eine gewonnene Minute. Zwischen Schneewittchen und ihren beiden Galanen besteht nicht einmal ein Hauch von Chemie, Chris Hemsworth wirkt einmal mehr wie ein dezent aufgehübschter Chuck Norris, Kristen Stewart gibt sehr augenscheinlich alles, was sie hat, leider beileibe nicht ausreichend, um ihrer ohnehin schon platt geschriebenen Figur Leben einzuhauchen. Für einen gelegentlichen Lacher sind immerhin die Overacting-Ausbrüche Charlene Therons gut, aber auch ihre böse Königin ist nur wenig vielschichtiger als das Disney-Pendant. Auch das uninteressante Production Design verleiht dem Film kaum Eigenständigkeit, ebenso der mediokre Score, der wie das Gesamkunstwerk unentschlossen zwischen Klassik und Moderne schwankt und nie Zähne zeigt. Und an dieser fehlenden Courage scheitert letztlich SNOW WHITE AND THE HUNTSMAN genauso wie am mangelnden Talent des Regiedebütanten, für den dabei bekanntermaßen aber immerhin ein Fick mit der Hauptdarstellerin raussprang. Der Zuschauer hingegen ist wie der vormalige Stewart-Gspusi Robert Pattinson der Gelackmeierte.
Rezi: The Expendables 2 (USA; 2012)
Obwohl scheinbar wie für mich gemacht, hat mich der erste EXPENDABLES nicht wirklich begeistern können, zu offensichtlich war das Kalkül, zu platt die Sprüche, zu durchschnittlich die Action. Die in Bulgarien runtergekurbelte Fortsetzung folgt exakt dem gleichen Muster, verschiebt aber ein wenig die Regler am Mischpult. Das kommt insbesondere der Action zugute, welche in ähnlichem Maße vorhanden ist wie beim Vorgänger, qualitativ aber deutlich höher anzusiedeln ist. Die Eröffnungsszene des Filmes ist eine spektakuläre und virtuos inszenierte Actionsequenz, die leider mehr verspricht, als das Gesamtwerk dann halten kann. So fette Explosionen, so ausufernde Zerstörung und so blutige Einschüsse gibt es später nicht mehr, was nicht heißt, dass die Action, insbesondere im Finale, nicht immer noch spektakulär wäre.
Spektakulär ist auch der Inhalt, beziehungsweise der Mangel an solchem: Über die öde Geschichte braucht man nicht zu reden, bemerkenswert sind aber die Dialoge. Unterhalten wird sich ausschließlich in Phrasen, für die kein Wortspiel zu platt und kein Kalauer zu alt ist, als dass man sie nicht dennoch verwendet hätte. Hinzukommt, dass die ersetzbaren Helden quasi jede ihrer Handlungen mit großteils unterirdischen One-linern kommentieren, was gerade auch die Action schon deutlich in den Bereich der Parodie verlagert. Auf die Spitze getrieben wird die Wirkung dieser Humorattacke durch eine völlig ungelenk übersetzte Synchro, in der ein wild grimassierender Dolph Lundgren „Friss Scheiße!“ ruft und statt des auch schon fremdscham-evozierenden „I declare you man and knife!“ von Jason Statham ein „Ich ernenne (?!) euch zu Mann und Messer!“ vorgetragen wird. Glücklicherweise streckt der TRANSPORTER-Star die derart angeredeten Büttel nieder, bevor sie peinlich berührt erröten können.
Auf diese Weise wird sich durch den Film gescherzt, aufgelockert durch die gelegentliche Action, in der freilich locker weitergeflachst wird. Konterkariert wird das heitere Treiben durch sporadisches und völlig unpassendes Gemenschel, welches sich um die von Liam Hemsworth verkörperte Figur rankt. Der kleine Bruder des Thor-Darstellers müht sich vergebens, seinem Schafsgesicht glaubwürdige Emotionen zu entlocken, die Plattitüden, die das Drehbuch offenbar für bewegende Gefühlsoffenbarungen hält, lassen das Bemühen aber von vornherein unsinnig erscheinen.
Das Finale stellt dann auch eher einen Höhepunkt in Sachen Albernheit denn Spektakel dar, mit seiner direkt geäußerten „Schieß auf irgendwas!“-Attitüde ein Flughafen-Terminal auseinandernimmt und ganze Legionen von ausnehmend nicht zielen könnender Schergen von unseren betagten Stars, allen voran Arnie und Chuck Norris, über den Jordan schicken lässt. Sly darf sich hingegen mit dem sympathisch schräg rüberkommenden van Damme messen, der, vielleicht zum letzten Mal, seine berühmten Spin Kicks zum Besten gibt. Letztlich gewinnt natürlich allen Spin Kicks zum Trotz das Gute in Form von wuchtigen, bodennahen MMA-Moves. Das Kluge hingegen hat sich gleich zu Beginn verabschiedet, was wenig verwunderlich ist. Man kann dennoch darauf hinweisen, dass im Gegensatz zum Vorgänger und so manch anderem vergnüglichen Genrevertreter THE EXPENDABLES 2 nicht nur kein intelligenter Film ist, sondern ein explizit und schmerzhaft dummer. Ein verfilmter Rülpser, für den man kein Schöngeist sein muss, um sich beleidigt zu fühlen, für den man aber auf jeden Fall sehr straff oder auf andere Art und Weise umwölkt sein sollte, um Spaß zu haben. Wie sagt’s Volker Pispers so schön: „Da stößt doch Alkohol an die Grenzen seiner Möglichkeiten!“.
Kurzrezi: Ex Drummer (Belgien; 2007)
Formal gut gemachter, wenn auch prätenziöser, pseudorealistischer Wichtigtuer von Film, der provozieren möchte, ob seiner Substanzlosigkeit aber im Allgemeinen kalt lässt. Es gibt durchaus intensive Szenen, die aber eher selbstzweckhaft eingestreut sind und nicht vermögen, emotionale Spannung den ganzen Film durch zu generieren. Immerhin, der Humor funktioniert (vielleicht hätte man aus derm Stoff eine schwarze Komödie machen sollen), die Schauspieler sind großartig, aber der Schmutz, in dem sie agieren, wirkt platziert, so dass ihr Talent als verschwendet betrachtet werden darf. Im Prinzip ist EX DRUMMER Porno für Arthouse-Voyeure, denen beim Betrachten inszenierten Unterschichten-Lebens ein wohliger Schauer über den Rücken läuft. Wer´s braucht…