Von Sternen und Menschen
Die ersten Trailer entzückten mich nicht. Schmieriges Familiendrama versprachen sie, das mit der Last seiner Tränen eine ambitionierte Science Fiction-Geschichte erdrücken würde.
Heraus gekommen ist allerdings eine fast unglaubliche Symbiose aus Drama und Science Fiction, ein Film, der große Probleme anspricht und wichtige Fragen stellt, über der Größe seiner Ambitionen aber nie die Charaktere und ihre Bindungen untereinander vergisst.
Die erste halbe Stunde etabliert mit geschickt gewählten, prägnanten Momenten eine enge, emotionale Beziehung zwischen dem zentralen Protagonisten, dem alleinerziehenden Vater, Ex-Astronauten und jetzigem Farmer Cooper, und seiner Tochter. Es wird deutlich und fühlbar, dass der Vater natürlich auch seinen Sohn liebt, mit der normalen elterlichen Liebe, wie sie eben sein sollte, so normal wie auch der Name des Sohnes, Tom. Seine Tochter hingegen trägt den Namen Murphy, benannt nach Murphys Gesetz, dem zufolge alles, was passieren kann, auch passieren wird. Und so außergewöhnlich wie ihr Name ist dieses Mädchen auch, das sich mit ihren Klassenkameraden anlegt, weil sie nicht an die neuen Geschichtsbücher glaubt, in denen die Leistungen der Vergangenheit geleugnet und kleingeredet werde, das in ihrem Zimmer einen Geist wahrzunehmen vermeint und die ihrem Vater in einem Maße vertraut, das ihre Enttäuschung, als Cooper die Familie verlässt, um im Weltall eine Zukunft für die dem Untergang geweihte Menschheit zu suchen, um so schmerzhafter macht.
Jede dramatische Entscheidung, die während des Raumfluges getroffen wird, muss sich vor dem Hintergrund dieser Vater-Tochter-Beziehung beurteilen lassen, jeder Fehler erscheint tragischer, als er es ohnehin schon ist, und Christopher Nolan gelingt es, diese Dramatik deutlich und fühlbar zu machen, ohne allzu tief in den Kitschtopf des Melodramas greifen zu müssen.
Die für den Regisseur typische unterkühlte Farbpalette impliziert Seriosität, die Bilder sind beeindruckend, ohne zu überwältigen, Hans Zimmer intensiviert die emotionale Erfahrung mit einem seiner besten Soundtrack, in dem vor allem ein hypnotisches Orgelthema den transportierten Gefühlen zusätzliche Wucht verleiht und zugleich Erinnerungen an das finale Crescendo im legendären „Also sprach Zarathustra“-Thema aus 2001 – A SPACE ODYSSEY anklingen lässt.
Natürlich spukt der Geist dieses Meisterwerks ohnehin des Öfteren durch INTERSTELLAR, was sich bei dieser Thematik aber auch kaum vermeiden lässt und nicht als Nachteil aufgefasst werden sollte.
So perfekt und visionär wie Kubricks Klassiker ist INTERSTELLAR dann aber nicht, dafür um einiges unterhaltsamer. Ähnlich wie Danny Boyles SUNSHINE opfert auch Christopher Nolans Film regelmäßig Glaubwürdigkeit und Plausibilität auf dem Altar der Spannung, und dass man einem Astronauten, der schon auf dem Weg in ein Wurmloch ist, tatsächlich noch einmal die Wirkungsweise eines solchen mit dem schon hundertfach gesehenen Beispiel vom Blatt Papier mit den zwei Punkten demonstrieren muss, erscheint schon etwas albern.
Die Stärken INTERSTELLARS sprechen aber ohnehin eher Herz und Sinne an, ohne dass sich das Hirn jedoch beleidigt vorkommen muss. Nolan hat mit seinem stets überzeugenden Darstellerensemble einen klugen Film produziert. Und zu entdecken gibt es viel, viel zu diskutieren, viel zu grübeln. Nachhallen werden aber vor allem die Gefühle, erinnern wird man sich an die Figuren, nicht an die Maschinen.